Ein Mandant hat wegen der Benutzung es Pfades ein Bußgeld erhalten und wir geben hier unsere Argumentation gegenüber dem Gericht wieder:
... wird in Ergänzung des bisherigen Vorbringens und unter Bezugnahme auf die im Ortstermin gewonnenen Erkenntnisse folgendes vorgetragen:
1. Dem Betroffenen wird ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 des Sächsischen Waldgesetzes vorgeworfen, wonach dieser angeblich fahrlässig ordnungswidrig gehandelt hat, in dem er am 20.08.2020 gegen 13.05 Uhr mit seinem Mountainbike auf einen „Pfad“ gefahren sein soll. Insoweit wird festgestellt, dass dem Sächsischen Waldgesetz, welches als Rechtsgrundlage des Bußgeldbescheides benannt ist, der Begriff „Pfad“ nicht zu entnehmen ist. Der im Bußgeldbescheid aufgeführte Sachverhalt ist schon insoweit auf der Tatbestandsseite fehlerhaft. Das Sächsische Waldgesetz sieht in § 11 Abs. 1 S. 1 zunächst einmal ein allgemeines Betretungsrecht vor. In S. 2 der genannten Vorschrift wird dieses Betretungsrecht für das hier in Rede stehende Radfahren insoweit eingeschränkt, als dass dieses nur auf Straßen und Wegen gestattet ist. Auf Pfaden scheint es (jedenfalls) gestattet zu sein, insoweit wird auf ein Material „Mountainbiking im Wald“ des Staatsbetriebs Sachsenforst – diesem Schriftsatz als Anlage A beigefügt -, abrufbar über die Internetseite https:www.sbs.sachsen.de verwiesen. Abgesehen davon, dass sich der Staatsbetrieb Sachsenforst als Verwaltung ermächtigt, in diesem Material zu definieren, was Fußwege sind, dazu später, wird im letzten Absatz auf S. 1 explizit ausgeführt, dass die Nutzung von Waldwegen als sogenannte Mountainbike-/Single-Trails dann möglich ist, wenn eine Gefährdung anderer Erholungssuchender und eine Beeinträchtigung der Waldfunktion ausgeschlossen sind. Aus Sicht der Verteidigung ist klar, dass ein sogenannter Mountainbike-/Single-Trail ein schmaler Pfad ist, der mit nur einem Fahrrad befahren werden kann. Festzuhalten bis hierher bleibt also, dass dieses offizielle Material des Staatsbetriebes Sachsenforst die Nutzung von Waldwegen als Single-Trails erlaubt, während der in Rede stehende Bußgeldbescheid genau dies den Betroffenen zum Tatvorwurf macht. In § 11 Abs. 1 S. 4 ist normiert, das Radfahren auf Sport- und Lehrpfaden sowie auf Fußwegen nicht gestattet ist. Bei dem in Augenschein genommenen Weg handelt es sich erkennbar nicht um einen Sport- und Lehrpfad, so dass sich für die Verteidigung die Frage stellt, ob ein Fußweg vorliegt?
2. Was ein Fußweg ist, hat der Gesetzgeber nicht legal definiert. Klar ist zunächst, dass das Betreten des Waldes auch für sportliche Aktivitäten und das Radfahren gestattet ist, sich aber weder eine Definition der Begriffe „Weg“, noch „Fußweg“ findet. Wenn man außerhalb des Gesetzestextes recherchiert, finden sich Definitionen, wonach ein „Weg“ als „einfache, oft geringer befestigte, aber auch unbefestigte, als allgemeiner Weg nicht qualifizierte Verkehrslinie zum Begehen oder Befahren“ beschrieben wird. Ein „Weg“ wird auch als natürliche, durch Festtreten entstandene oder künstlich angelegte, nicht oder nur wenig dauerhaft befestigte, relativ schmale Bahn definiert. Unter Berücksichtigung dieser Definitionen bzw. Beschreibungen dürfte klar sein, dass es sich bei den im Ortstermin besichtigten „Bahnen“ jedenfalls um Wege handelt, der Betroffene also nicht quer durch den Waldbestand gefahren ist. Das Wort „Fußweg“ hat nur einen beschränkten Bedeutungsgehalt, nämlich den, dass man zu Fuß auf diesem Weg gehen kann. Dies hilft aber nicht weiter, da man auf allen „Wegen“ von der Autobahn bis zum beschriebenen Pfad zu Fuß gehen kann, der Bedeutungsgehalt des Wortes Fußweg ist also erst durch einen (selbst) gewählten Bezug herzustellen. Der Begriff Fußweg ist also unbestimmt und die einzig sinnvolle wörtliche Auslegungsmöglichkeit ist deshalb, den Bezug zur erlaubten bzw. verbotenen Benutzung des Weges herzustellen. Aus Sicht des Betroffenen handelt es sich naturgemäß nicht um einen Fußweg, da er diesen ja – wie festgestellt – mit einem Fahrrad befahren konnte. Der in Rede stehende Weg schlängelt sich abfallend bei guter Wegebeschaffenheit durch den Wald und abgesehen von der Böschung, über die er auf den breiteren unteren Weg trifft, ist dieser problemlos durch jedes Kind, welches Fahrrad fahren kann, zu befahren. Die Böschung ist auf einer Länge von ca. 1,5 m in der Tat steil und eher schwierig zu befahren, dass es möglich ist hat aber der Zeuge bestätigt. Die Verteidigung verkennt insoweit nicht, dass der Eigentümer, der Staatsbetrieb Sachsenforst natürlich eine andere Sicht auf den Bezug hat, er wird möglicherweise diesen zum Zweck des Weges herstellen oder ob durch die Benutzung Schäden drohen. Damit steht fest, dass der Weg – je nach Form der Benutzung und dem gewählten Bezug – ein Fußweg oder kein Fußweg sein kann. Aus Sicht eines Rennradfahrers, dessen Fahrrad mit schmalen profillosen Reifen ausgestattet ist, dürfte jeder unbefestigte Weg ein Fußweg sein, wohingegen mit einem Mountainbike auch schmale und schwierige Wege ohne weiteres befahren werden können. Es kommt also immer auf die Perspektive des Benutzers an. Dass durch die Benutzung des in Rede stehenden Weges eine Beschädigung oder Abnutzung entsteht, wurde aus Sicht der Behörde weder dargetan und ist auch nicht der Fall.
3. Der Rechtsbegriff „Fußweg“ kann im Kontext des Sächsischen Waldgesetzes eine vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichende Bedeutung haben. Im Wege der systematischen Auslegung wäre zu ergründen, ob vorliegend ein von der wörtlichen Auslegung abweichender gesetzessystematischer Ansatz begründet werden kann. Aus Sicht der Verteidigung ist dies nicht der Fall, es handelt sich deshalb nicht um einen Fußweg, da er mit einem Fahrrad befahren werden kann und der Gesetzgeber andere „wörtliche“ Einschränkungen nicht vorgenommen hat. Es ist für die Verteidigung im Rahmen einer historischen Auslegung auch nicht zu ermitteln, welche Überlegungen der Gesetzgeber bei der Wortwahl hatte, weder im Hinblick auf die Tatbestandsmerkmale „Weg“ und „Fußweg“. Im Zuge einer teleologischen Auslegung ist erkennbar, dass der Gesetzgeber versucht, die verschiedenen Interessen der Natur, der Erholungssuchenden und der Eigentümer in einen Ausgleich zu bringen. Er hat deshalb das allgemeine Betretungsrecht durch das Wegegebot zunächst einmal eingeschränkt und eine weitere Einschränkung im Hinblick auf Fußwege vorgenommen. Es kann sich insoweit aber offensichtlich nicht um eine Spezialregelung zugunsten von Fußgängern handeln, etwa dergestalt, dass ein Weg erst dann mit einem Mountainbike befahren werden kann, wenn er eine gewisse Breite hat, so dass Fußgänger und Radfahrer aneinander vorbei kommen. Denn Fußgängern gebührt ohnehin der Vorrang, wie sich aus § 11 Abs. 1 S. 3 Sächsisches Waldgesetz ergibt, wo normiert ist, dass auf Fußgänger Rücksicht zu nehmen ist. Dies bedeutet für den Mountainbiker nichts anderes, als dass er nötigenfalls absteigen muss, wodurch er selber zum Fußgänger wird. Es kann sich bei dem Wegegebot folglich nur um eine Regelung zugunsten der Waldeigentümer oder des Naturschutzes handeln. Dafür, dass die Regelung zugunsten der Waldeigentümer gilt, ist nichts erkennbar, aus Sicht der Verteidigung wird davon ausgegangen, dass der Gesetzeszweck des Fußwegeverbots der Umweltschutz ist. Es würde dann also ein Fußweg vorliegen, wenn mit der konkreten Benutzung eine Gefahr einer Naturschädigung einhergeht. Dies ist aber wiederum auch nicht der Fall. Die Auswirkung von Fahrrädern auf den Boden und den Bewuchs ist außerordentlich gering, es handelt sich nicht um einen Nationalpark oder ein Naturschutzgebiet und wenn man die beim Ortstermin durch die Waldwirtschaft und den Einsatz von Harvestern entstandenen Bodenbeschädigungen wahrgenommen hat, ist die Einwirkung von Mountainbikes auf den Boden schlicht zu vernachlässigen. Insoweit bleibt festzustellen, dass der Begriff Weg im Wald dahingehend auszulegen ist, dass damit jeder Bereich gemeint ist, der unabhängig von seiner Befestigung und Widmung als beliebig schmaler Pfad durch das Gelände führt, dessen Benutzung mit einem Fahrrad möglich ist und bei dessen Benutzung in der konkreten Form keine Schädigung der Natur zu erwarten ist.
4. Wie die versuchte Auslegung zeigt handelt es sich bei den Begriffen „Weg“ und „Fußweg“ um unbestimmte und hochgradig auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe auf der Tatbestandsseite, deren „Deutung“ nicht im Ermessen der Verwaltung steht und die aufgrund ihrer geringen inhaltlichen Bestimmtheit schwer zu fassen sind. Weder die nutzbare Fahrbahnbreite, noch die Abgrenzung des Weges oder dessen Befestigung sind geeignet, die Unbestimmtheit aufzulösen. Wenn man als nutzbare Fahrbahnbreite auf den Abstand zwischen den rechts und links des Weges befindlichen Bäumen abstellt, dürfte gemeinhin als Pfade oder Fußwege wahrgenommene Wege tatsächlich Wege im Sinne des Gesetzes sein. Wenn man auf die nur tatsächlich befahrene Fläche abstellt, dann wahrscheinlich nicht. Würde ein asphaltierter Gehweg mit Bordstein – wie er in Ortschaften üblich ist – durch den Wald gehen mit einer Breite von angenommen 120 cm, dann würde dieser durch Kraftfahrzeuge nicht befahren werden können, wäre dann aber wahrscheinlich ein Fußweg, wenn man alle Wege zu Fußwegen macht, die nicht mit Kraftfahrzeugen befahren werden können. Dieser fiktive Weg wäre für Radfahrer gesperrt, was offensichtlich unsinnig ist. Auf die Eignung zum Befahren abstrakt kann es also nicht ankommen, da mit geländegängigen Fahrrädern (Mountainbikes) sehr viele Wege zum Befahren geeignet sind.
5. Eine Verurteilung des Betroffenen scheitert an § 3 OWiG in Verbindung mit Artikel 103 Abs. 3 Grundgesetz. Nach dem dort normierten Bestimmtheitsgebot ist es zum Schutz des Einzelnen vor unberechenbarer und nur durch übervorsichtiges Verhalten vermeidbarer Sanktionierung geboten, dass eine Bußgeldnorm so präzise und genau bestimmt ist, dass der Einzelne dieser (gegebenenfalls durch Auslegung) vorausschauend entnehmen kann, welches Verhalten verboten ist und welche Geldbuße ihm für den Fall eines Verstoßes gegen jenes Verbot droht. Diese sogenannte „Orientierungsgewissheit“ ergibt sich aber für den Betroffenen vorliegend nicht. Dabei wird nicht verkannt, dass der Gesetzgeber die Bußgeldtatbestände nicht bis ins letzte ausführen muss, sondern es genügt, wenn er sich auf die wesentlichen Bestimmungen beschränkt, aber wenn sich – wie oben gezeigt – mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden, insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften des selben Gesetzes und auch unter Berücksichtigung des Normzusammenhangs eine zuverlässige Grundlage nach Auslegung und Anwendung der Norm nicht finden lässt, ist das erforderliche Maß der Bestimmtheit nicht erreicht. Der Verteidigung sind auch keine Urteile bekannt, anhand derer sich der Betroffene hätte orientieren können, wobei dies im Hinblick auf den Gesetzestext ohnehin nicht maßgeblich wäre. Die Regelung in § 11 Abs. 1 Sächsisches Waldgesetz ist daher zu unbestimmt und damit keine Rechtsgrundlage für eine Bußgeldverhängung. Es ist mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz nicht vereinbar, wenn die Beantwortung der Frage, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen zu einer Vorschrift vorliegen, nicht generell abstrakt durch den Gesetzgeber erfolgt, sondern durch die vollziehende Gewalt für den konkreten Einzelfall festgelegt wird. Vorliegend findet sich im Bußgeldkatalog des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft für den Sachbereich Forsten unter der Ziff. A2.1 (unbefugtes Radfahren) eine Fußnote, in der gerade durch die vollziehende Gewalt bestimmt wird, was ein Fußweg ist. Genau das ist aber mit Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz eben nicht vereinbar.
6. Nach alledem bleibt festzustellen, dass der Betroffene mit seinem Mountainbike auf einem (scheinbar) erlaubten Pfad gefahren ist, was das Sächsische Waldgesetz nicht verbietet und was nach dem als Anlage A vorgelegten Material explizit erlaubt wird. Unabhängig davon scheitert die Regelung des § 11 des Waldgesetzes für den Freistaat Sachsen am Bestimmtheitsgebot und was der Gesetzgeber genau gemeint hat und wollte ist für einen Fahrradfahrer im Wald nicht erkennbar.
Dr. Dietze Rechtsanwalt Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht Dr. Albrecht Dietze